Warum wir unseren Streuobstwiesen eine Zukunft bieten sollten
Bei der Flurbereinigung nach 1900 verschwanden allerorts großflächig Heckenverbände, jahrhundertelang ein undurchdringliches Dickicht als Schutz vor Feinden, aber auch idealer Lebensraum für Vögel und Insekten.
Ein zweiter massiver Eingriff erfolgte in den sechziger und siebziger Jahren. Hochstämmige Obstbäume wurden tausendfach mit Unterstützung durch EG-Zuschüsse vernichtet. Andere fielen Siedlungszwecken oder Straßenbau zum Opfer. Rote Listen beweisen, welche katastrophalen Auswirkungen solche Eingriffe hatten. Trotzdem werden heute, wenn auch oft durch Unwissenheit, häufig noch dieselben Fehler gemacht. Hausgärten und Grundstücke um das Dorf wurden früher bevorzugt mit Obsthochstämmen bepflanzt. Auf diese Weise entstanden begrünte Ortschaften und man hatte bald bemerkt, dass Baumwiesen rund um das Dorf eine spürbare Klimaverbesserung bewirkten, eine Erkenntnis, die man heute sogar messen kann. Wie kompliziert und vielfältig hier das Artengefüge ist, zeigt die Tatsache, dass allein an einem alten Apfelbaum mehr als 1.000 verschiedene Insektenarten leben können. Ein Platanenbaum wird dagegen nur von einer einzigen Insektenart besucht – welch eine Armut!
Werner Reusch, aus der Festschrift "10 Jahre Natueschutzgruppe Pohl-Göns", 1992
Es gibt viele gute Gründe die Streuobstwiesen unserer Region zu erhalten. Der ökologische Aspekt ist einer davon. Daneben kann man mit einer Hochstammkultur natürlich auch Obsterträge erzielen. Zwar ist die Bewirtschaftung aus betriebswirtschaftlicher Sicht kaum rentabel, jedoch für den Eigenkonsum durchaus lohnenswert. Äpfel, Birnen, Zwetschen, Kirchen und Mirabellen aus unseren Gärten und von unseren heimischen Wiesen, können unter eigener Kontrolle ungespritzt und unbehandelt reifen. Biologisch erzeugte Vitaminbomben, wohlschmeckend und gesund zugleich, bieten sich uns direkt vor der Haustüre. Keine langen Transportwege durch Deutschland oder halb Europa, zumindest saisonal kann darauf verzichtet werden. Im Gegensatz zu den wenigen heute gängigen Obstsorten – genormte Früchte, auf Optik getrimmt, dafür gleich schmeckend – herrscht auf den Streuobstwiesen noch ein großes Sortenspektrum vor. Aber neben der Sorten- und Geschmacksvielfalt, lassen sich hier auch noch wahre Raritäten finden. Sogenannte „Alte Sorten“, die es z.T. nur regional gibt, stehen vereinzelt noch vielerorts.
Einen ebenso wichtigen Wert hat die Streuobstwiese als Landschaftselement. Auf reizvolle und Abwechslung stiftende Art und Weise gestalten die Obstwiesen das Landschaftsbild. Das saftig-frische Gün des ersten Grases oder die schneeweise Blütenpracht im Frühjahr erfreuen die Spaziergänger. Hohes Gras mit vielen Blumen begeistert Kinder und Zweisamkeit Suchende. Es gibt kaum etwas Schöneres als ein Picknick im Sommer unter einem großen Kirschbaum. Oder man schlendert zur Entspannung mal barfuß über den Emmersberg, spürt die Wiesen, nascht Kirschen, Zwetschen und Mirabellen. Ringsherum singen und zwitschern die Vögel, ein reges Treiben und doch ist von Stress keine Spur. Im Hochsommer genießt man ebenso die Ruhe und die Natur, aber auch den tollen Ausblick von den Hängen unseres Hausberges, während man gemütlich im Schatten unter einem Apfelbaum liegt. Ein gutes Buch lässt sich hier ebenfalls wunderbar lesen. Der Herbst färbt die Bäume zunächst in leuchtendes gelb und rot, bevor das triste braun und grau die Stille des Winters ankündigen.
So eine Streuobstgebiet ist somit auch für uns Menschen eine Rückzugsmöglichkeit. Die Natur lädt zum Entdecken ein. Man kann sich ein Stück weit der Zivilisation entziehen und zumindest für eine Weile dem Alltag entfliehen. Die Streuobstwiese als Naherholungsgebiet, auch das ist ein bedeutsamer Faktor, der für ihren Erhalt spricht.
Unser Emmerberg ist schlussendlich Lebensraum - ja Heimat - für Pflanzen, Tiere und den Menschen. Grund genug ihn zu pflegen und zu erhalten, auch wenn das einiger Mühe und des individuellen Engagements der Grundstückseigentümer bedarf. "Nur mit Hilfe des Menschen kann die Streuobstwiese bestehen. Mit dem Baumschnitt im ausklingenden Winter, den Mäharbeiten im Verlauf des Sommers oder der Obsternte im Herbst sorgt der Mensch stetig für Veränderungen auf der Streuobstwiese und beeinflusst so auch das Leben der tierischen Bewohner. Es bedeutet viel Arbeit, diesen Ort zu pflegen, und der Ertrag ist im Vergleich zu herkömmlichen Obstplantagen wenig rentabel. So gehören Streuobstwiesen heute zu den bedrohten Biotopen Mitteleuropas." (arte.tv/guide/de/046150-000/karussell-des-lebens)
Die Naturschutzgruppe hat sich lange schon der heimischen Streuobstwiesen angenommen. Am Läusköppel, am Gönsbach, in den Ohläckern und natürlich auf dem Emmersberg wurden in der Vergangenheit hunderte von Obstbäumen von uns gepflanzt. Mit der "Aktion Hausbaum – Aktion Hochstamm“ haben wir unsere Aktivitäten erweitert. Ziel hierbei war es, insbesondere im Bereich der Dörfer – in Gärten sowie auf öffentlichen Plätzen – den Baumbestand zu erhöhen und mehr Grün im Siedlungsbereich zu schaffen. Wir haben Interessierte beraten, finanziell bei Baumanschaffungen unterstützt und oftmals selbst zum Spaten gegriffen.