Bereits in vorchristlicher Zeit betätigten sich die Ägypter sowie die Perser im Obstbau. Häufig pflanzten sie entlang ihrer Handelswege die unterschiedlichsten Obstsorten. Die Römer brachten Ableger von Zwetschen, Apfel-, Kirsch- und Birnbäumen mit in unsere Gefilde.
Ab dem späten Mittelalter wurde der Obstanbau in weiten Teilen unseres Landes populär. In Klöstern befasste man sich mit der Züchtung robuster Sorten. Erst dadurch konnte sich der Obstanbau in Mitteleuropa ausweiten. Insbesondere in klimatisch attraktiven Lagen, wie an Flüssen, aber auch an sonnigen Hängen in den Mittelgebirgen entstanden Obstanbaugebiete.
Der größte Teil stammt allerdings auf dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Bewohner von Dörfern und Weilern waren in dieser Zeit per Gesetz verpflichtet, Obstbäume zu pflanzen und zu pflegen. Ziel war es, die wachsende Bevölkerung mit Früchten zu versorgen. So entstanden damals vielerorts bunt zusammengesetzte Obstwiesengürtel in Randbereichen von Ortschaften. Die Streuobstwiese war aus der Taufe gehoben. Bis heute prägt sie das Landschaftsbild in vielen Gegenden.
Noch während und auch nach den beiden letzten großen Kriegen, war die Streuobstwiese eine unverzichtbare Quelle für Nahrungsmittel. Ab Mitte 20. Jahrhundert geriet sie jedoch in Gefahr. Die zunehmende Rationalisierung der Landwirtschaft ließ vielfältige Hochstammkulturen ins Hintertreffen geraten. Monotone Busch- und Halbstammplantagen, mit leider nur einem beschränkten Sortenspektrum, verdrängten alte Anbauformen. Agrarpolitisch wurde dieser Wandel unterstützt. Bedauerlicherweise jedoch auch auf eine destruktive Art. In den 60er und 70er Jahren förderte die Europäische Gemeinschaft mit Rodungsprämien für Hochstämme die Zerstörung der Kulturlandschaft und des Lebensraums Streuobstwiese.
Mittlerweile hat man den ökologischen und kulturellen Wert der Obstwiesen erkannt. Das falsche Anreizsystem wurde abgeschafft, ja man geht sogar den umgekehrten Weg und fördert den Erhalt von Hochstammkulturen.
Die Folgen der verfehlten Politik kommen leider aktuell und in naher Zukunft zum Vorschein. Nicht nur dass die Obstbaumbestände stellenweise
drastisch reduziert wurden, auch Neuanpflanzungen blieben aus. Diese Pflanzlücke über mehrere Jahrzehnte hat auf das Ökosystem Streuobstwiese dramatische Auswirkungen. Alte Bäume, die als
Lebensraum einen unschätzbaren Wert besitzen, sterben ab. Junge Bäume sind für den Naturschutz vorerst uninteressant. Die Generation mittleren Alters fehlt. Damit sind unzählige Lebewesen in
ihrer Existenz und ihrem Fortbestand bedroht. Bilchen, Mardern und Mäusen, Ameisen und Wespen, Moosen, Flechten und Pilzen, Steinkäuzen und Fledermäusen, sowie vielen, vielen mehr schwindet die
Lebensgrundlage. Daher ist es umso wichtiger Altbestände so lange wie möglich fortbestehen zu lassen und außerdem durch das Nachpflanzen junger Bäume die Zukunft der Streuobstwiese
und ihrer Bewohnern zu sichern.